Zurück in die 60er oder vorwärts zu neuer Mobilität?
Mobilität 1961 - Die Menschen gehen zu Fuß, fahren Rad, füllen Busse, knattern mit Motorrädern über holprige Straßen. Und wer kann, steigt um: aufs Auto. 2021 - Ein Teil der Verkehrspolitiker träumt von den Verhältnissen der Sechziger Jahre als nur jeder Zehnte ein Auto besaß.
Rückblick:
„Käfer, Goggo und Isetta waren Traumgefährte“, erinnert sich Torsten Treiber, Obermeister der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart, an seine Jugend. Ein Großteil der Menschen konnte sich diese Fahrzeuge anfangs noch nicht mal gebraucht leisten. Aber der Wunsch war der Vater des Kaufs: Der Motorradmarkt brach nach einem Rekordhoch Mitte der 50er Jahre regelrecht zusammen.
Bei den Pkw kamen Anfang der 60er etwa zehn auf 1000 Einwohner. Tendenz rasant steigend. In zehn Jahre würde sich die Zahl verdreifacht haben. Bis heute hat sie sich fast verzehnfacht. Torsten Treiber kann erklären, wieso: „Das Auto bot ein Dach über dem Kopf, gemütliche Umgebung, praktisch unbegrenzte Reichweite, preiswerten Treibstoff – die Steuerlasten kamen erst später.“ Tankstellen sprossen wie Pilze aus dem Boden. Einkaufszentren änderten die Einkaufsgewohnheiten. Autobahnen verkürzten die Reisezeiten. Die Autotechnik machte rasante Fortschritte. „Als Kinder waren wir jedes Jahr auf jedes neue Modell gespannt“, sagt Torsten Treiber: „Und im Autohaus ist bis heute jeder Modellwechsel, jede Neuerung eine Herausforderung – nichts hat sich so rasant entwickelt wie das Auto.“
Gegenwart:
„Alle Autos der letzten 60 Jahre sind heute Oldtimer“, sagt Christian Reher, Geschäftsführer der Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart. „Auf diese haben sich Teile unserer Betriebe spezialisiert. Über 4500 Oldtimer-Pkw sind allein im Kreis Ludwigsburg gemeldet.“ Die Zahl der E-Autos liegt in der gleichen Größenordnung. „Reiner Zufall“, sagt Torsten Treiber, „aber doch ein interessanter Aspekt“. Zumal jedes Jahr weitere Autos mit dem 30. Geburtstag Oldtimer werden können. „Nachhaltig“ heißt das heute im Politdeutsch. Was für die Autohäuser die Folge hat, „dass unsere Mitgliedsbetriebe jedes Auto beherrschen müssen, das jemals produziert wurde und in den kommenden Jahrzehnten produziert wird“, sagt Christian Reher: „Kein Problem“.
Zukunft:
Über 336 000 Pkw waren zuletzt im Kreis Ludwigsburg gemeldet. Den Verantwortlichen der aktuellen Verkehrspolitik sind das zu viel. „30 Prozent der Autos raus aus der Stadt“, hat Verkehrsminister Winfried Hermann als Ziel für Stuttgart gefordert. „30 Prozent der Autos würden reichen“, heißt es bei der AGORA Verkehrswende. Im Kreis Ludwigsburg müssten dann 110 000 bis 220 000 Autos verschwinden. „Dann wären wir wieder nahe dem Mobilitätsniveau der 60er-Jahre, mit dem die Menschen ja recht unzufrieden waren“, sagt Torsten Treiber. Ob sich das durchsetzen lässt? „Die Zukunft des Autos ist das immer bessere Auto“, sagt er und gibt ein Beispiel: „Nehmen wir das autonome Fahren. Es könnte den ÖPNV komplett ersetzen. Wer morgens zur Arbeit muss, steigt ins Auto, fährt los und reiht sich nahtlos in den Zug derer ein, die in die gleiche Richtung fahren, nur dass dieser Zug aus Autos statt aus Waggons besteht.“